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Wegklatschen

von Sergej Roger Gößner (D)

Begründung der Jury

Wie kann es sein, dass Rechte und Rechtsextreme immer mehr den öffentlichen Diskurs bestimmen? Fünf junge Menschen wollen in Wegklatschen was dagegen machen; eine Clique, der auch ein Pärchen angehört, auch ein junger Familienvater ist dabei. Sie beschließen Widerstand zu leisten, nicht länger die Augen zu zu machen. Auf anfangs sehr humorvolle Weise, die an die happenings der 70ger Jahre erinnern, beginnen sie dem Hass entgegenzutreten, organisieren sich und ihre Aktionen und sind erfolgreich.

 

Doch schon bald kippt die Stimmung, die Risiken werden größer, sie treten unsinniger Gewalt nicht nur entgegen, sie üben sie jetzt auch selber aus. Wo ist eigentlich die Grenze im aktivistischen Kampf für etwas Gutes? Heiligt der Zweck die Mittel? In immer wieder auftauchenden Verhörsituationen, die die Spielszenen unterbrechen, werden wichtige und aktuelle Fragen behandelt: Was darf man tun oder nicht tun, wenn man ein gutes Ziel verfolgt? Und welche Motive bewegen die einzelnen Protagonisten, bei den Aktionen mitzumachen?

 

Mit Wegklatschen gelingt Sergej Roger Gößner ein Stück, das aktueller und wichtiger nicht sein könnte. Junge Menschen weltweit organisieren sich und gehen auf die Straße. Doch auch der Rechtsruck in unserer deutschen Gesellschaft wie im übrigen Europa ist nicht länger literarische Fantasie, sondern traurige Realität. In diesem brisanten Kontext wirken die im Text aufgeworfenen Fragen wie eine Checkliste für politisches Handeln.

 

Gößner fordert uns nicht nur auf, uns zu positionieren, sondern hinterfragt auch die Mittel des politischen Kampfes. Damit schafft der Autor ein Stück, das als Diskussionsgrundlage für das junge (und auch das ältere Publikum) dienen kann, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickeln sollte und könnte. Was ist erforderlich, damit wir einer Spaltung entgegentreten?

 

Die Gruppe im Stück fungiert als Spiegel und ihre rasante und kompromisslose Entwicklung  lässt einen erschaudern. Der Leser erkennt sich in den Charakteren, versteht sie gut und wünscht sich gleichzeitig, er könnte die Figuren an den Schultern packen und aufrütteln - zu offensichtlich führt sie ihr Wollen, ihre Verzweiflung über die Ewiggestrigen, aber auch die Sorge um private Schwierigkeiten in Probleme und Chaos. Man will dieses Stück auf der Bühne sehen. Man möchte, dass es eine ganze Generation darin bestärkt aufzustehen und NEIN zu sagen. Man lacht über die anfängliche Kreativität des Widerstands und möchte mit zunehmender Dramatik der Handlung eher weinen, denn ein Happy End beschert Gößner uns nicht wirklich. Allenfalls reicht es für ein 'Es ist doch nicht ganz so schlimm, wie zwischendrin befürchtet.' Aber auch das entspricht ja leider der momentanen Realität.

 

Wegklatschen ist wichtiges politisches Jugendtheater unserer Zeit, weil es mit seiner kunstvollen Textkonstruktion eine aktuelle Problemlage versinnbildlicht. Dabei honoriert der Autor gleichermaßen das Engagement der Jugend, fordert aber auch dazu auf, über mögliche Irrwege nachzudenken.

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