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The Wetsuitman

von Freek Mariën (B)

Begründung der Jury

Sehen/hören wir einen spannenden Krimi? Sollen wir uns entführen lassen in eine blöd-witzige Slapstick-Story, wo eine Menge merkwürdige Typen auftauchen? Oder haben wir es mit einem ernst gemeinten gesellschaftlich relevanten Problem zu tun, versteckt in einer Geschichte voll von Metaphern und wichtigen Lebensfragen? Eigentlich alle drei. Und vor allem das Letzte.

 

Eine Leiche wird gefunden am Strand, irgendwo in Norwegen. Viele Personen reden davon, sind auf der Suche - nach Fakten, Erklärungen oder Sensation - oder machen sich einfach nur wichtig. Da ist was los, Leute. Erst einmal entstehen angenehm verwirrende und komische Situationen mit merkwürdigen Observationen durch viele verschiedene Leute. Das Stück fängt leicht und irgendwie befremdlich an. So entsteht ein spannender Anfang, auf dem der Rest der Geschichte aufbauen kann.

 

Die Suche nach Klarheiten und Fakten in Bezug auf den Fall, die jetzt aus allen Perspektiven und in jede Richtung vorangetrieben wird, läuft parallel zu der Suche der Schauspieler nach den Charakteren ihrer Figuren. Damit verbindet Mariën auf heimliche und kluge Weise den Willen des Publikums mit dem Bühnengeschehen. Es lässt die Zuschauer langsam nicht mehr los.

 

Denn Inhalt und Form verschieben sich gleichermaßen auf eine andere, viel ernsthaftere Ebene, wenn wir erfahren, dass wir es mit der Leiche eines ehemaligen Syrischen Flüchtlings zu tun haben. Aus Not und Lebenshunger ist einem jungen Mann eine scheinbar geniale rettende Idee gekommen, leider hat er sich aber etwas ausgedacht, was vollkommen schief gelaufen ist. Der Text nimmt uns im Laufe der Geschichte mit in das Land der Herkunft des jungen Flüchtlings und zu seiner Familie - von Norwegen nach Belgien, über Calais und zurück nach Syrien, der Weg, den so viele Flüchtlinge täglich immer noch in umgekehrter Richtung gehen. Spätestens jetzt wird es herzergreifend und äußerst rührend, denn da kommen Fiktion und Realität ziemlich zusammen.

 

Die Sprache ist sehr rhythmisch. Alles wird schnell auf den Punkt gebracht. Es liest sich wie ein sogenannter Pageturner. Dabei entstehen Bilder, die der Rezipient sich jedoch selbst nach eigener Vorstellung ausmalen muss. Darin liegt eine große Kraft. Es ist eine intelligent konstruierte wichtige Geschichte, wobei neben Schwere und Bedeutsamkeit aus den Worten auch die Möglichkeit einer gigantischen Spielfreude für die Schauspieler aufblitzt.

 

Die wichtigste Frage des Stückes ist - unserer Ansicht nach - :  Wie ist es mittlerweile (oder grundsätzlich) mit unserem Erbarmen bestellt? Wie gehen wir damit um, wenn uns Phänomene begegnen, die unsere eigenen West-orientierten Luxus-Probleme übersteigen?

 

Mariën hat mit diesem Theaterstück ein Monument geschaffen für die Namenlosen unserer Welt und deren Geschichten, die noch immer viel zu oft nicht gehört werden. Wir haben den Text gelesen, er hat uns tief beeindruckt, wir haben die Message verarbeitet und - weil Kunst unsere Kommunikationsform ist - ist es uns eine Ehre, The Wetsuitman mit einem der drei Preise zu krönen.

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