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Robinson  Meine Insel gehört mir –

Raoul Biltgen (A)                                   (10+)

Begründung der Jury

Ein Mann erzählt einen Witz, um ihn sofort danach zu hinterfragen.  „Der ist aber nicht lustig. Na ja, der ist ein bisschen lustig, so lange man nicht weiter darüber nachdenkt….“

Ausgehend von dem Topos der Robinsonade entwickelt der Autor zunächst ein an die Zuschauer adressiertes Selbstgespräch, in dem er seine Situation reflektiert: Der auf der Karibik-Insel angeschwemmte Schiffbrüchige ist mit dem Leben davon gekommen, richtet sich in der Einöde ein und wartet auf Rettung. Die Insel war ganz umsonst, ein Geschenk des Himmels sozusagen, und er beginnt nun, sie sich zu eigen zu machen. Nach und nach beschafft er sich alles, was er braucht: 

Eine Hose, ein Hemd, ein Messer, ein Dach über dem Kopf, eine Ziege, einen Garten mit 3 Apfelbäumen, (nächstes Jahr sind es vier!), eine Flöte mit 3 Tönen, (nächstes Jahr sind es vier!), eine Decke, eine zweite Hose, einen Regenschirm, einen Hut, einen Sonnenschirm, einen anderen Hut…

Ich bin der „Herr meiner Welt.“ Indem er diese selbstzufriedene Bilanz zieht, geht dem Helden unserer Geschichte aber gleichzeitig die Gefahr auf, die jedem Besitz innewohnt: die Gefahr des Verlustes! Also muss ein Zaun her,  denn es könnte ja jemand kommen und ihm alles wegnehmen! Hoch muss der Zaun sein und ohne Tür. „Das hat etwas mit Sicherheit zu tun….“

Während der Mann seinen Besitz und dessen Absicherung ständig optimiert, wächst seine Angst , vor möglichen Eindringlingen, bis ein solcher tatsächlich vor ihm steht:  Freitag erscheint erst nach fast der Hälfte des Textes, steht plötzlich wortlos da und wird zunächst mit Anschuldigungen überhäuft, einen gewaltsamen Angriff auf den Herrn der Insel im Schilde zu führen. Die Beteuerungen des Mannes, lediglich gestrandet zu sein, während er seine Heimat auf der Flucht vor Kannibalen über das Meer verlassen musste, werden ihm nicht geglaubt. Dass auch Robinson „seine“ Insel einmal aus einer ähnlichen Not heraus gefunden und als Rettung angenommen hat, will dieser nicht mehr wahrhaben. „Ich war zuerst da!“, heißt die Rechtfertigung seiner Vormachtstellung. Auch rutscht ihm unversehens die sattsam missbrauchte Formel „Ich bin das Volk“ heraus und entlarvt ganz nebenbei  die Engstirnigkeit seiner Gesinnungsgenossen. 

Freitag ist – anders als in der berühmten Roman- Vorlage – mit seinem Gegenüber geistig auf Augenhöhe. Eine Annäherung  geschieht  über die allmähliche Einsicht Robinsons, dass die beiden einander nützlich sein könnten. Und über das gemeinsame Lachen über den abschließenden Witz: „Zwei Männer leben auf einer einsamen Insel. Kommt eine Fee und sagt: Ihr habt jeder einen Wunsch frei. Sagt der eine: Ich will wieder nach Hause. Und schwupp – ist er weg. Sagt der andere: Jetzt bin ich ganz allein, ich wünsch mir den anderen wieder her!“ 

„Robinson“ ist eine wundervoll kluge gesellschaftskritische Parabel  über Angstdenken in Bezug auf das Fremde. Die betont lockere Sprache erinnert an den Plauderton einer Stand-Up-Comedy  und vermeidet alles Moralisierende. Stattdessen wird hier mit Intelligenz und Humor  auf sehr unterhaltsame Weise zu einem der brennendsten Probleme unserer Zeit Stellung bezogen.

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